Fantasy, Horror | Erscheinungsjahr: 2025 | Geschaut: 2025 im Kino | Schauspieler: Lily-Rose Depp, Nicholas Hoult, Bill Skarsgård | Regisseur: Robert Eggers | 2h 13min

9,2/10 Punkten Like

Wer war das mit den flackerndern Lichtern?

Wir schreiben Anfang des Jahres 2025 – und damit endete für mich das erste Jahr, in dem ich ernsthaft angefangen habe, mir Notizen und Bewertungen zu Filmen und Serien aufzuschreiben. Das war für mich etwas ganz Neues, denn zuvor hatte ich mich zwar hier und da gerne darüber ausgetauscht, aber nun hatte ich eine vollgeschriebene Notiz auf meinem Handy, in der ich wirklich ernsthaft Wertungen und kurze Stichpunkte festhielt, wie ich einzelne Titel über das Jahr hinweg fand. Ich war also richtig gespannt und hatte extreme Vorfreude auf das Kinojahr 2025 – und auch auf die anstehenden Oscars, die bald stattfanden. Naja, und so dauerte es nur wenige Tage, bis ich ganz früh im Januar erneut im Kino saß und direkt einen der Filme sah, auf den ich mich in diesem Jahr besonders freute. Und man, ich wurde nicht enttäuscht.

103 Jahre nach dem Original kehrt Nosferatu erneut auf die große Kinoleinwand zurück und hüllt die Geschichte um einen der berühmtesten Untoten in neuen Glanz. Der frisch verheiratete Immobilienmakler Thomas Hutter (Nicholas Hoult) reist im Jahre 1838 nach Transsilvanien, um ein Anwesen zu verkaufen und so seinen Ruf und seine Würdigkeit gegenüber einem Immobilienunternehmen zu beweisen. Doch während er sich auf die lange und beschwerliche Reise begibt, wird seine Ehefrau Ellen (Lily-Rose Depp) von düsteren Visionen und Alpträumen heimgesucht. Im Laufe seiner Reise zum Anwesen und der Begegnung mit Graf Orlok (Bill Skarsgård) wird schnell klar, dass nicht nur sein Schnurrbart unheimlich ist – und sich etwas Dunkles auf die Stadt Wisborg zubewegt.

Tja, knapp verpasst Robert Eggers das 100-jährige Jubiläum – doch eins vorweg: Das Warten hat sich gelohnt. Es ist schon eine ganze Weile her, seitdem wir einen richtig guten Vampir- Film gesehen haben und vor allem eine wirklich gelungene Version von Nosferatu/Dracula – ich nenne hier beide, da es praktisch die gleiche Geschichte ist. Und auch wenn nun fast 100 Jahre vergangen sind, spürt man in dieser Neuauflage die Liebe zum Original. Robert Eggers geht mit großem Respekt an die Vorlage heran, traut sich aber dennoch, eigene Ideen einfließen zu lassen und daraus einen eigenständigen Film zu formen. Statt einer billigen Kopie oder reinen Hommage entsteht hier ein neuer Ansatz, getragen von einem herausragenden Graf Orlok – gespielt von Bill Skarsgård – und einer Oscar-würdigen Leistung von Lily-Rose Depp.

Die große Stärke des Films zeigt sich besonders, wenn Nosferatu auf der Leinwand erscheint. Durch seine Präsenz und die um ihn herum aufgebaute Atmosphäre fesselt die Figur das Publikum sofort. Skarsgård schlüpft erneut in die Rolle einer Horrorikone und spielt den Grafen auf fesselnde und verstörende Weise. Eine ganze Weile im Film sieht man ihn nur in Ausschnitten oder hört nur seine tiefe, bestimmende Stimme – für einige vielleicht gewöhnungsbedürftig. Seine groteske, beinahe animalische Interpretation der Figur wirkt stellenweise unangenehm, und das nicht nur wegen seines markanten „Pornobalkens“. Sein Gegenpart ist Ellen, gespielt von Lily-Rose Depp, und auch wenn sich hier manche Kritiker spalten: Für mich überzeugt sie auf ganzer Linie. Wie viele Darsteller in diesem Film legt auch sie eine fast theatralische Performance hin – doch in diesem Setting funktioniert das. Ihre verletzliche und emotionale Darstellung bildet einen gelungenen Kontrast zur brutalen Präsenz des Vampirs. Besonders ihre Anfangssequenz hat mich nachhaltig beeindruckt. Nicholas Hoult wiederum startet mit diesem Film in ein starkes Jahr – seine Figur glänzt nicht durch Gesichtsbehaarung, sondern durch eine tragische Naivität. Man leidet förmlich mit ihm, wenn er der Übermacht Orloks und dem Schicksal seiner Frau hilflos gegenübersteht. Auch wenn er keine absolute Hauptrolle spielt, ist Willem Dafoe erneut solide in seiner Nebenrolle – sein überzeichnetes Spiel wird nicht jedem gefallen, passt aber zur Stilistik des Films.

Abseits der Schauspielleistungen liegt der Fokus eindeutig auf der visuellen Umsetzung. Die Bilder reißen alles ab. Robert Eggers hatte oft erwähnt, wie lange er Nosferatu machen wollte – und das merkt man. In jeder Kameraeinstellung steckt Sorgfalt, Liebe und Herzblut. Lange Kamerafahrten über die aufwendig gestalteten Sets, ein gezielter Einsatz von Schatten und Stille – all das erschafft eine Atmosphäre, die noch lange nachwirkt. Horrorfans kommen hier voll auf ihre Kosten: düstere, gotische Bilder, fahles Licht, morbide Kulissen – alles perfekt in Szene gesetzt. Der Film erzeugt eine bedrückende Stimmung, die stark an Albträume erinnert. Mehrmals saß ich im Kino und dachte mir: „Joa, das könnte direkt aus einem Kinderalptraum stammen.“ Besonders wenn Graf Orlok nur als Silhouette auftaucht, läuft es einem eiskalt den Rücken herunter. Der Horror entsteht hier nicht durch billige Jump-Scares, sondern baut sich langsam und feinfühlig auf – ganz im Sinne klassischer Horrorgeschichten.

Allerdings hat der Film auch Schwächen. Die theatralische Spielweise funktioniert nicht bei allen Darstellern gleich gut. Die Dialoge sind durchweg schwermütig, das Leben scheint für alle eine einzige Qual – es wird oft dramatisch an die Stirn gefasst und tief geseufzt. Das passt zwar grundsätzlich zur Epoche und zum Setting des Films, wirkt an manchen Stellen aber etwas übertrieben. Doch sobald Graf Orlok gegen Ende mehr in den Vordergrund tritt, nimmt der Film wieder deutlich an Fahrt auf und lässt einen bis zum Schluss nicht mehr los. Robert Eggers beweist einmal mehr, dass er atmosphärisches und großes Kino beherrscht. Das hier ist kein einfacher Gruselfilm – das ist ein Werk, das nachhallt. Die dichte Atmosphäre wirkt fast erdrückend, bleibt aber nachhaltig im Gedächtnis.

Ich hatte mit diesem Film sehr viel Spaß und finde, dass er eindrucksvoll zeigt, dass Klassiker durchaus sinnvoll und respektvoll neu aufgelegt werden können – wenn man weiß, wie.

Verfügbar bei: https://www.justwatch.com/de/Film/nosferatu-der-untote