Horror, Mystery & Thriller, Science-Fiction | Erscheinungsjahr: 2025 | Geschaut: 2025 im Kino | Schauspieler: Aaron Taylor-Johnson, Alfie Williams, Jodie Comer | Regisseur: Danny Boyle | 1h 55min
Memento Melliculae Videre - Bedenke, dass du den Film sehen musst
Nicht ganz 28 Jahre dauerte es, bis Danny Boyle & Alex Garland es nach Jahren der Planung und großer Ankündigungen in erneuter Zusammenarbeit geschafft haben, 28 Years Later auf die Leinwand zu bringen. Lange Zeit haben sie darüber gesprochen, und nun, 23 Jahre nach ihrem Klassiker, kommt der dritte Teil in die Kinos. Und direkt knallte dann die Promophase so richtig rein – in einer Zeit, in der viele vergessen haben, wie gute Trailer funktionieren, hat dieser Film es geschafft, einen riesigen Hype um den Streifen zu erzeugen. Millionen Aufrufe erhielt der erste Trailer – und auch mich hat er richtig gepackt. Das erste Mal habe ich ihn tatsächlich im Kino selbst gesehen. Ohne Gerede oder Tam-Tam, nur mit einem alten Song im Hintergrund und packenden Bildern sehen wir kurze Einblicke, was uns in diesem Film erwartet. Aber alleine das reichte anscheinend, um nicht nur mich, sondern auch viele andere in einen enormen Hype zu versetzen. Und was soll ich sagen? Tja, das ist ein wenig schwierig. Doch worum geht es denn überhaupt im dritten Teil dieser Reihe?
Naja, wenig überraschend erleben wir hier tatsächlich die Welt 28 Jahre nach dem Ausbruch des Virus. In einer kleinen, isolierten Gemeinschaft abseits des Festlandes lebt der 12-jährige Spike (Alfie Williams) zusammen mit seinem Vater (Aaron Taylor-Johnson) und seiner schwer kranken Mutter (Jodie Comer). Spike und sein Vater machen sich zu seiner ersten Tour aufs Festland auf, um ihm das Jagen beizubringen und zu zeigen, wie ihre Gemeinschaft überleben kann. Dort erwarten sie nicht nur gefährliche Infizierte, sondern auch dunkle Geheimnisse über die Gesellschaft und deren Überlebensstrategien. Als Spike eine Möglichkeit sieht, seine kranke Mutter zu retten, macht er sich auf den Weg. Unterwegs begleitet die Erzählung Spike auf seinem emotionalen Coming-of-Age-Pfad und reflektiert über Verlust, Hoffnung und darüber, was Menschsein nach dem Untergang bedeutet.
Das wäre also der Inhalt. Doch wie setzt Danny Boyle einen Film um, der 23 Jahre nach seinem ersten Teil spielt und sich anscheinend inhaltlich kaum an seine Vorgänger hält? Der Film bricht das Stigma der Fortsetzungen in unserer heutigen Zeit deutlich. Hier wird eine komplett neue Geschichte rund um den jungen Spike erzählt – und das ist wirklich erfrischend. Es wird kein weiteres Legacy-Sequel produziert, sondern eine schrecklich schöne Weiterführung einer dystopischen Welt, in der ein Junge früh erwachsen werden muss. Begleitet wird diese Reise von Bildern, die unter die Haut gehen. Die Bildsprache ist eindringlich – Boyle hat schon oft in seinen Filmen bewiesen, dass er immer wieder etwas Schönes in sehr schrecklichen Momenten findet, und das zeigt sich auch wieder hier. Der Kontrast zwischen der rohen, apokalyptischen Gewalt und den ruhigen, fast poetischen Momenten wird stark in Szene gesetzt. Besonders die Landschaftsaufnahmen der verlassenen Städte, Ruinen oder Wiesen und Wälder, die teils immer wieder mit Infizierten bestückt sind, erzeugen eine eindrucksvolle Atmosphäre und brennen sich ins Gedächtnis. Man merkt deutlich, wie viel Liebe zum Detail darin steckt und dass Danny Boyle wirklich vieles selbst in die Hand genommen hat. In Interviews erzählt er sehr detailliert davon – und es ist deutlich zu sehen, wie viel Leidenschaft er selbst in diesen Film gesteckt hat. Lange hatte er sich diese Fortsetzung gewünscht und saß oft stundenlang an Skizzen und Konzeptionen einzelner Sequenzen.
Unterstützt werden die Bilder von einem sehr dynamischen und teils hektischen Schnitt. Man merkt, dass hier wirklich ein Auge fürs Detail vorhanden ist und Profis am Werk sind, die genau wissen, wie man mit Bild und Schnitt Spannung aufbauen kann. Das kann nicht jeder Zombie-Film von sich behaupten – hier wird gezeigt, wie es richtig geht. Dabei bleibt Danny Boyle trotz Routine und Erfahrung in seinem Handwerk immer noch frech. Der Schnitt ist teils wirklich gewagt, und man muss sich an einige Shots und Bilder erst gewöhnen. Vor allem in den actionreicheren Momenten wird es manchmal körnig und hektisch. Das liegt zum Teil daran, dass viele Aufnahmen mit iPhones gedreht wurden – in einigen Sequenzen mit bis zu 20 gleichzeitig – und so gelingen Aufnahmen, die die Infizierten besonders dynamisch und körpernah wirken lassen. Dadurch entsteht der Look, den wir schon aus 28 Days Later kennen – und in den spannungsgeladenen Momenten sorgt das wirklich für Gänsehaut, wenn unsere Protagonisten ums Überleben kämpfen.
Das liegt aber natürlich auch daran, dass einem die Figuren mit der Zeit wirklich ans Herz wachsen. Die Reise, die der junge Spike durchmacht – eine Art Coming-of-Age-Geschichte innerhalb einer Zombie-Apokalypse – glaubwürdig zu erzählen, das schafft wahrlich nicht jeder. Umso erstaunter war auch ich im Kino, als im Laufe der Handlung deutlich wurde, dass Alfie Williams den Großteil des Films auf seinen Schultern trägt. Seine Darstellung des Spike ist wirklich in großem Maß herausragend und holt das Maximum aus dem heraus, was er beeinflussen kann. Seine Reise zwischen Angst, Trotz und Hoffnung ist vielschichtig und glaubwürdig. An seiner Seite hat er natürlich namhafte Co-Stars. Wir sehen erneut in diesem Jahr Aaron Taylor-Johnson, der hier einen nicht ganz sympathischen Vater spielt, der auf seine eigene Art und Weise versucht, seinen Sohn in dieser Welt großzuziehen und mit der Krankheit seiner Frau umzugehen. Jodie Comer als kranke Mutter ist vor allem in den emotionalen Momenten herzzerreißend und bewegt gegen Ende hin zu Tränen. Die nötige Ambivalenz bringt Ralph Fiennes mit – ich freue mich immer, ihn auf großer Leinwand zu sehen – und als undurchsichtiger Arzt rundet er den Cast perfekt ab.
Doch bei all dem Lob ist auch zu erwähnen, dass im Mittelteil deutlich wird, wo der Schwachpunkt des Films liegt. Alfie Williams ist in der Rolle als Spike über einen längeren Zeitraum allein mit seiner Mutter unterwegs – und das funktioniert für mich auf Dauer nicht. Er allein trägt es nicht ganz in diesem Film, und das finde ich persönlich schade. Immer wieder hatte ich den Wunsch, dass in einer riskanten Situation Aaron Taylor-Johnson plötzlich auftaucht und den beiden hilft – und das ist kein Gedanke, den man in so einem Moment haben sollte. Es fehlte in diesen Teilen einfach etwas. Spätestens als mit Erik (Edvin Ryding) eine weitere Figur zum Duo stößt, merkt man, wie sich die Dynamik sofort verändert. Natürlich war diese Figur notwendig, um den Zuschauer kurze Zeit später wieder daran zu erinnern, wie brutal und gefährlich ihre Reise ist – doch trotzdem brach sein Dazustoßen direkt die Stimmung und wirkte wie eine notwendige Hilfe, auch auf schauspielerischer Ebene. Mit Ralph Fiennes kam dann natürlich ein ganz anderes Kaliber dazu – aber auch hier merkt man, wie wichtig es war, nicht nur die Mutter-Sohn-Kombi dauerhaft auf der Leinwand zu haben. Alfie Williams hat eine Glanzleistung gezeigt – und ich freue mich, in den nächsten Jahren mehr von ihm zu sehen. Ich will sein Können keineswegs schmälern, nur wollte ich das hier einfach einmal anmerken.
Der Film kam – wie bereits erwähnt – auch bei mir mit einer sehr hohen Erwartungshaltung. Die ersten beiden, aber besonders der erste, gelten als Vorreiter des modernen Zombiefilms und verhalfen den Untoten vom unteren Regal ganz nach oben. Zombies waren plötzlich “in”, und spätestens mit World War Z wurden solche Filme auch mit Millionenbudgets ausgestattet. Doch je länger ich in 28 Years Later saß, desto mehr merkte ich, dass ich etwas ganz anderes erwartet hatte. Dieser Film hat mich wirklich überrascht – allerdings ganz anders, als ich es erwartet oder vielleicht sogar erhofft hatte. Das hier ist kein einfaches Legacy-Sequel, mit denen wir seit Jahren überschwemmt werden – nein. Hier wird hoffentlich endlich auch dem Letzten in Hollywood gezeigt, wie man eine Reihe auch Jahre später sinnvoll fortsetzen kann. Denn auch wenn das hier in der Welt von 28 Days Later spielt, so hampelt keine alte Legacy-Figur durchs Bild, nur damit wir alle im Kino rufen: “OMG, das ist doch der und der aus Teil soundso!” Und das ist extrem erfrischend und erfreulich – dass es noch Autoren und Regisseure gibt, die ein altes Werk ehren, es würdevoll weiterführen und dabei frische, neue Ideen einbringen. Wobei ich mich beim Letzteren etwas zurücknehmen würde – denn diese Frage stellte ich mir im Laufe des Films dann doch: Warum kommt denn jetzt, nach all den Jahren, dieser Film? Danny Boyle sagte selbst, es habe über die Jahre stets an der richtigen Idee gefehlt – doch so ganz nimmt man es dem Film nicht ab. Das hier ist zwar nett, aber musste man nach 23 Jahren genau diese Geschichte erzählen? Es wirkte einfach, als würde etwas fehlen.
Unterm Strich bleibt 28 Years Later ein Sequel, das ganz klar zeigt, wie es richtig geht: ein visuell starker, verstörender und atmosphärisch dichter Film, der die postapokalyptische Welt der Vorgänger weiter ausbaut – weniger als reines Horror-Szenario, sondern als Spiegel unserer Menschlichkeit. Und dabei findet er etwas Wunderschönes in tiefster Grausamkeit.
Verfügbar bei: https://www.justwatch.com/de/Film/28-years-later
