Thriller, Action | Erscheinungsjahr: 2025 | Geschaut: 2025 im Kino | Schauspieler: Ana de Armas, Anjelica Huston, Norman Reedus | Regisseur: Len Wiseman | 2h 5min

6,4/10 Punkte

Ein Tanz auf einem Flickenteppich

Nach John Wick 1, 2, 3, 4 & The Continental erweitert Len Wiseman mit Ballerina die Welt aus John Wick um einen weiteren Film. Zwar dürfen wir auch hier Keanu Reeves in seiner Paraderolle als eiskalter Killer kurz sehen, doch liegt der Fokus diesmal auf neuen Charakteren. Im Mittelpunkt steht Eve (Ana de Armas) und wir erhalten tiefere Einblicke in die Ruska Roma – jene Gruppierung, die wir bereits aus den Vorgängern kennen. Bekannte Gesichter tauchen auf, doch diesmal erfahren wir deutlich mehr darüber, was hinter den Kulissen des russischen Theaters passiert. Ballerina ist ein Film, der mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Fast ein ganzes Jahr wurde das Projekt verschoben, es gab immer wieder Berichte über Probleme am Set, monatelang soll nachgedreht worden sein – an allen Ecken und Enden hat es offenbar gehakt. Der Film stand also unter keinem guten Stern. Dennoch kam er Mitte dieses Jahres ins Kino. Doch worum geht’s in Ballerina eigentlich – und warum gibt es nun dieses Spin-off?

Der Film spielt zwischen 3 und 4 und begleitet die Auftragskillerin Eve. Ihr Vater wurde vor Jahren brutal von einer Organisation ermordet. Seitdem wuchs sie bei den Ruska Roma auf und wurde in der geheimen Ballerina-Schule zu einer tödlichen Killerin ausgebildet. Durch einen Zwischenfall kommt sie den Mördern ihres Vaters wieder auf die Spur und beschließt, sich ihrer Rache zu widmen. Auf dem Weg stößt sie auf Verschwörungen, Geheimnisse und alte Bekannte.

So viel vorweg: Für mich ist das leider der bislang schwächste Beitrag der John-Wick-Reihe – und das sage ich, obwohl ich die Reihe liebe. Seit Jahren predige ich, dass die Kinolandschaft kaum noch richtig gute Actionfilme hervorbringt und die Liebe zum Handwerk zunehmend verloren geht. Natürlich gab es immer wieder kleine, versteckte Diamanten, aber seit John Wick 1 hat auch das breite Publikum wieder einen richtig guten Actionfilm bekommen. Doch wie es in Hollywood so oft ist: Gute Ideen werden bis zum letzten Cent ausgeschlachtet. Und langsam beschleicht einen das Gefühl, dass auch John Wick dieses Schicksal ereilt. In Zeiten riesiger Franchises bleibt wohl auch diese Reihe nicht verschont – was wirklich schade ist. Ballerina wirkt wie ein Vorbote dessen, was passieren kann, wenn man nicht aufpasst. Denn was ein Spin-off gut macht, fehlt hier weitgehend. Zwar spielt alles in der Welt von John Wick, aber es bietet dieser Welt absolut keinen Mehrwert.

Wo es Möglichkeiten gäbe, subtil Verbindungen herzustellen, wird mit dem sprichwörtlichen Zaunpfahl gewunken. Der Zuschauer soll auf Teufel komm raus verstehen, wie das alles zu den ersten vier Filmen passt. Der Titel selbst schreit: „John Wick!“, damit auch der letzte Fan begreift, dass man den Film unbedingt sehen muss. Selbst Keanu Reeves wird herangezogen, um in den ersten Minuten klarzustellen, dass Ballerina zwischen 3 und 4 spielt – nur damit wir wissen, warum uns das Theater und ein paar Darsteller bekannt vorkommen. Der Film verliert dadurch Zeit und erzählerische Logik – und das wirkt unorganisch, ja geradezu störend für den Fluss der Handlung. Wobei man sich nach dem bekannten Ende von Teil 3 und Anfang von Teil4 fragen muss: Wie soll das logisch ineinander übergehen?

Ebenso unlogisch ist auch die Story. Ich habe mich über David Castañeda als Eves Vater wirklich gefreut – seine Actionszenen sind stark –, aber die Geschichte vom weißen Kind, das durch den Mord an den Eltern zur Killerin wird, haben wir schon millionenfach gesehen. Vieles wirkt wie ein müder Aufguss – besonders, wenn Szenen direkt aus John Wick übernommen scheinen: Die Clubszene, das Waffen-Shopping, Slow-Mo-Auftritte… alles bekannt. Natürlich gehört das mittlerweile zum Stil der Reihe und macht bisweilen auch Spaß. Aber in Ballerina wirkt es oft wie eine gezwungene Wiederholung. Nichts fühlt sich neu an – selbst bekannte Figuren bekommen keine Tiefe, keine neue Perspektive.

Die Handlung selbst ist ein Flickwerk voller Logiklöcher. Warum versucht man krampfhaft, neue Elemente wie diese Sekte einzuführen, wenn sie keinen Sinn ergeben und nicht organisch zur Welt passen? Gekrönt wird das Ganze von einem völlig misslungenen Twist – noch unterboten von der Leistung von Catalina Sandino Moreno. Die Story wirkt an vielen Stellen fade, unausgegoren, und man merkt, dass offenbar viele kreative Köpfe unterschiedliche Ideen verfolgt haben. Die Motivation der Sekte bleibt rätselhaft. Vieles wird angerissen, aber nie erklärt – oder nur beiläufig abgehakt. Ich saß mehrfach im Kino und musste überlegen, worauf sich bestimmte Wendungen beziehen sollten. Oft fehlte der Zusammenhang, weil Zwischeninformationen zu schwach betont wurden oder zu lange zurücklagen. Die Handlung gibt sich unnötig komplex, ohne wirklich etwas zu erzählen. Die Twists wirken unüberlegt und unglaubwürdig – etwa der Part mit der plötzlich auftauchenden Schwester, die wenige Minuten später stirbt. Emotional war das absolut wirkungslos.

Der gesamte Film hätte für mich eine andere Wendung gebraucht: Wenn Eve am Ende gestorben wäre – und in einem letzten Moment John Wick ihr gegenübersteht und sie mit den Worten „Regeln und Konsequenzen“ tötet. Das hätte dem Film Gewicht verliehen, ihn rund gemacht. Eine abgeschlossene, unabhängige Geschichte mit echtem Echo in der Welt von John Wick. Für so ein Ende hätte ich den Machern größten Respekt gezollt.

Trotz all der Kritik hat der Film auch Lichtblicke: Die Bilder sind wieder groß und präzise komponiert – man merkt, wo der Fokus liegen muss, und die Action ist handwerklich stark. Das bekannte Lichtspiel aus Neontönen verleiht dem Film den typischen John-Wick-Stil. Ana de Armas macht ihre Sache gut, besonders in den Kampfszenen sieht man, wie hart sie dafür gearbeitet hat. Leider bleibt ihre Figur blass – sie bekommt einfach zu wenig Raum. Norman Reedus sorgt für kurze, aber schöne Momente. Zwar ist sein Auftritt klein, doch er zeigt, was er kann. Keanu Reeves zieht wie gewohnt alle Blicke auf sich – doch lobenswert ist, dass er am Ende einen Schritt zurücktritt und Ana de Armas den Abschluss überlässt. Viele Filme hätten in dem Moment dem Star noch den großen Auftritt gegeben – hier wurde die richtige Entscheidung getroffen. Seine Bewegungen wirken routiniert, aber eben auch etwas langsamer als früher – verständlich.

Unterm Strich bleibt ein Film, der erstaunlich wenig zur Welt von John Wick beiträgt. Es fühlt sich mehr nach Marketing als nach echtem Inhalt an – als wolle man einfach noch mehr aus dem Franchise quetschen. Zwar wird John Wick oft referenziert und sogar geehrt, aber stellenweise geht das über das Ziel hinaus. Die größte Stärke ist wie gewohnt die Action: Choreografisch stark, spürbar mit Leidenschaft entwickelt. Doch auch hier nutzt sich das Konzept langsam ab. Die letzten Teile brachten stets neue Ideen ein – Ballerina wiederholt Altbekanntes. Selbst die Flammenwerfer-Szene, der vielleicht stärkste Moment, wird im Trailer bereits vorweggenommen – die Überraschung verpufft.

Am Ende bleibt ein Film, der sich selbst im Weg steht. Handwerklich solide, aber ohne Substanz. Hübsch verpackt, doch leer – ein netter Streifen ohne echten Mehrwert.

Verfügbar bei: https://www.justwatch.com/de/Film/ballerina-2025