Drama, Horror | Erscheinungsjahr: 2025 | Geschaut: 2025 im Kino | Schauspieler: Ella Rubin, Michael Cimino, Odessa A’zion | Regisseur: David F. Sandberg | 1h 43min

4,7/10 Punkten

Angst ist ein starkes Aphrodisiakum

Was passiert, wenn man aus einem Videospiel, das zugleich schon ein narratives, interaktives, storybasiertes Slasher-Horror-Spiel ist, den eigentlichen Spielkniff wegnimmt und daraus einen Film macht? Genau das hier! Until Dawn ist das neueste Werk aus dem Hause Sony, das nach einem erfolgreichen Videospiel nun auch eine Verfilmung bekommt. Wahrscheinlich saßen wieder ein paar große Köpfe in einem Raum zusammen, haben sich die Videospielsammlung angeschaut, und dann zeigte einer auf das Spiel und meinte: “Ey, hierzu haben wir noch nichts gemacht – und Horror geht doch eigentlich immer!” Dann nickten alle einvernehmlich – und zack, kurze Zeit später flimmert also das Werk über die große Leinwand. Und bringt? Eigentlich nicht viel, um ehrlich zu sein. Denn abseits des Namens hat das hier nicht viel mit der Vorlage zu tun.

Die Protagonistin Clover (Ella Rubin) versucht mithilfe ihrer Freunde, das mysteriöse Verschwinden ihrer Schwester Melanie zu verarbeiten, und sie rekonstruieren die letzte Reise, die sie gemacht hat. Nachdem sie durch einen starken Regensturm gefahren sind, finden sie eine Regenkuppel auf einer Lichtung, die sie nicht mehr hinauslässt. Das einzige Haus in dieser Lichtung birgt einige Gefahren, und als sie in ihrer ersten Nacht von einem Killer brutal ermordet werden, wachen sie einfach erneut auf – und die Nacht beginnt von vorne. Während sie verzweifelt versuchen, die Zeitschleife zu durchbrechen, begegnen sie mit jeder Wiederholung neuen, furchteinflößenden Kreaturen.

Wer sich jetzt fragt: “Hä, aber das hat doch nichts mit der Geschichte des Videospiels zu tun?” – der hat vollkommen recht. Die Geschichte hat rein gar nichts mit dem Spiel zu tun. Zwar bekommen wir immer wieder Anspielungen, und einige Charaktere und Figuren wurden übernommen, aber das war’s auch schon. Die Brücke, die der Film zum Original schlägt, ist in Teilen durchaus gelungen – die Umsetzung einiger Figuren macht Sinn und ist gut durchdacht. Doch wer sich hier eine Verfilmung der Spielhandlung gewünscht hat, wird enttäuscht. Die große Frage, die sich mir beim Schauen direkt stellte: Warum heißt das Ganze denn dann Until Dawn? Naja – das scheint wohl ziemlich egal zu sein, solange der Name an der Kinokasse zieht.

Mein zentraler Punkt, an dem der Film für mich allerdings scheitert, ist die Missachtung des Spielprinzips. Das Spiel selbst ist ein narratives und interaktives Erlebnis. Es geht darum, dass die Entscheidungen des Spielers elementare Auswirkungen auf die Handlung und das Überleben der Spielfiguren haben. Das ist in einem Film faktisch nicht umsetzbar – außer, man macht es wie Black Mirror – Bandersnatch, was im Kino natürlich nicht funktioniert. Until Dawn versucht das dann eben auf andere Art und Weise zu lösen. Mit der Sanduhr im Haus kommt ein Element in die Geschichte, durch das die Figuren nicht nur einmal sterben – sobald alle tot sind, beginnt die Nacht von vorne. Durch das wiederholte Sterben haben die Charaktere also mehrere Versuche, sich aus ihrer Lage zu befreien. Was durchaus eine nette Idee ist – und die bauen sie dann auch mit ordentlich Zeit auf. Die Charaktere fragen sich: “Okay, was können wir jetzt anders machen, um die Nacht zu überleben?” Und wir begleiten sie dann auch auf der Suche danach, was sie diesmal anders machen könnten als in den Nächten davor.

Doch dann passiert damit… nichts. Die Charaktere agieren unlogisch, oft widersprüchlich, mit Entscheidungen, die keinerlei nachvollziehbaren Sinn ergeben. Nach jeder Nacht wird erst einmal lang und breit diskutiert, was passiert ist – einen Lerneffekt sucht man vergeblich.

Dabei erleben wir dann zwischen all dem Sterben einen Horror, der für diese Art von Film nur bedingt funktioniert. Hier hagelt es einen Jump-Scare nach dem anderen, und dabei darf ein lauter Soundeffekt, der einem die Ohren wegreißt, natürlich nicht fehlen. Die hastig eingeführten Schockmomente sind weder kreativ noch wirkungsvoll. Statt psychologischer Tiefe und subtiler Spannung – die die Atmosphäre des Spiels ausmacht: beklemmend, düster und geprägt von der ständigen Angst, einen Fehler zu machen – wird all das komplett über Bord geworfen, zugunsten eines generischen Teenie-Horrors mit Zeitschleifen-Mechanik, die in ihrer Logik oft bröckelt. Dabei hat der Film einige sehr starke Momente: Die ersten Tode haben einen richtig schönen Slasher-Touch, und ich hatte mich darauf gefreut, dass der Film dadurch noch glänzen kann – denn durch die wiederholten Tode wäre durchaus Potenzial für kreative Slasher-Kills da. Doch nach zwei, drei Toden haben sich die Macher auf ein Muster fokussiert – und es dabei belassen. Wirklich schade.

Am Ende bleibt Until Dawn leider das, was es ist: ein Film, bei dem man sich durchaus fragen muss – brauchte es den? Und nein, wahrscheinlich nicht. Zwar hat der Film durchaus seine Momente, und das, was er macht, macht er auch stellenweise richtig gut. Aber – ich habe es von Anfang an gesagt – wenn das unter einem anderen Namen laufen und die Handlung angepasst worden wäre, dann könnte das hier richtig gut werden. Weil die Grundlage einfach stimmt. Aber eben nicht unter Until Dawn. Und so verkommt der Film zu einem weiteren Eintrag in die elend lange Liste uninspirierter Spielverfilmungen, der weder dem Medium Film noch dem Ursprungsspiel gerecht wird. Statt einer spannungsgeladenen, interaktiven Erzählung bekommen wir hier eine Handlung, bei der nur eins wirklich gruselig ist – und zwar der überraschend vorhersehbare Ablauf. Ich hatte trotzdem an einigen Stellen meinen Spaß, auch wenn es vielleicht die falschen Gründe waren. Aber vielleicht wird ja der zweite Teil eher meins – denn im Abspann gibt es einen Ausblick auf die Handlung des Videospiels. Also: gespannt bleiben.

Verfügbar bei: https://www.justwatch.com/de/Film/until-dawn