Action, Krimi, Drama, Thriller | Erscheinungsjahr: 2025 | Geschaut: 2025 | Schauspieler: Charlie Cox, Vincent D’Onofrio, Ayelet Zurer, Jon Bernthal MCU
1. Staffel 9 Folgen:
Ein Blinder lässt Marvel wieder sehen
Nach über einem Jahrzehnt schlüpft Charlie Cox wieder in die Rolle des Matthew Murdock, diesmal jedoch auf Disneys hauseigenem Streamingdienst. Schon damals auf Netflix war ich hin und weg von Daredevil – es war zu dem Zeitpunkt etwas komplett Neues. Das kleine Netflix/Marvel-Universum legte den Fokus auf deutlich nahbarere Charaktere und Geschichten. Statt groß aufgezogener multiversaler Schlachten lag hier der Schwerpunkt auf kleineren, charakterbezogenen Erzählungen, zum Beispiel Daredevil, in dem er gegen den Unterweltboss Wilson Fisk (Vincent D’Onofrio) antreten musste. Der Vorteil: Die Charaktere haben genug Möglichkeit und Zeit, sich zu entwickeln und dem Zuschauer nähergebracht zu werden. Es wird nichts überzogen, und die Bedrohung ist deutlich näher am Publikum.
Daredevil: Born Again spielt einige Zeit nach der 3. Staffel der Netflix-Adaption. Wir begleiten immer noch das Trio rund um Charlie Cox in seiner Parade-Rolle, Deborah Ann Woll als Karen Page und Elden Henson als Foggy Nelson . Bereits kurz nach Start der ersten Folge ereignet sich ein Schicksalsschlag für Matt, sodass sich Grundlegendes ändert, und wir bekommen einen Zeitsprung von einigen Monaten. Matt leidet unter einer schweren Identitätskrise und hängt sein altes Ego an den Nagel. Doch durch den Wiederaufstieg von Wilson Fisk, den wir seit seinem offenen Ende in Hawkeye nicht mehr gesehen haben, der nun das Bürgermeisteramt anstrebt, ringt Murdock mit sich selbst, was nun zu tun ist.
Die Serie startet für mich mit den vielleicht besten 20 Minuten, die wir von Marvel in den letzten Jahren geliefert bekommen haben. Vor allem im Bereich der Serien wird deutlich: Marvel zieht die Qualität wieder an. Die Inszenierung von Matt’s einzigartigen Gehör ist besonders hervorzuheben, die Kameraführung lässt einen durch das Geschehen gleiten, und der alte Vibe und Charme der Serie hat nichts von seinem Reiz verloren. Die Macher lassen nicht lange fackeln, hauen direkt mit der Action rein und zeigen auch hier wieder mal, dass gute Choreografie das A und O ist, wenn es um gute Action im Bereich Filme und Serien geht. Der Twist, der direkt am Anfang losgeht, hat es ordentlich in sich. Zwar muss ich zugeben, dass ich beim ersten Bild, das über den Fernseher flimmerte, schon etwas im Magen spürte, aber trotzdem hat es mich auch überrascht, wie konsequent Marvel in dieser Situation war.
Doch so durchschüttelnd die erste Folge war, so hatte die Serie Schwierigkeiten, diese hohe Linie über die neun Folgen hinweg zu halten. Zwar ist das auch absolut nicht nötig, doch merkte man an einigen Stellen, dass gewisse Story-Stränge nicht so flüssig einfloßen wie andere. Beispielweise ist die Einarbeitung und vor allem Langlebigkeit der Geschichte rund um White Tiger (Kamar de los Reyes) meiner Meinung nach nicht so glatt gelaufen wie zum Beispiel die Handlung von Muse (Hunter Doohan) oder auch Bullseye, der erneut von Wilson Bethel verkörpert wird . Beides sind äußerst spannende und neue Charaktere, die wir so noch nicht im MCU gesehen haben, und beide haben ungefähr ähnlich viel Zeit bekommen. Allerdings war ich von Muse’s Geschichte deutlich mehr gepackt. Dem allem aber in den Schatten gestellt, ragt abermals deutlich der Punisher heraus. Jon Bernthal zeigt mit wenig Screen-Time, aber dafür mit einigen expliziten Szenen, warum er die vielleicht beste Punisher-Adaption ist, die wir je gesehen haben. Vor allem seine Dynamik mit Daredevil zieht wieder Aufmerksamkeit auf sich: Ihre eigentlich gemeinsame Weltanschauung, aber unterschiedliche Herangehensweise, ihre Charismatik und der Drang, sich gegenseitig immer wieder auf ihre Seite ziehen zu wollen, funktionieren auch hier wieder. Dabei sticht für mich ein Dialog der beiden besonders hervor. Jon Bernthal glänzt in dieser Szene in absoluter Bestform – ein Dialog, der so viel Charaktertiefe zeigt, so viel Verletzlichkeit und Schmerz freisetzt zwischen den beiden Figuren und Daredevil an einen Scheideweg drängt.
Born Again ist eine würdevolle Fortsetzung einer schon sehr guten Serie und ebnet hoffentlich den Weg für Charlie Cox und Co. ins MCU. Denn wenn eins auch durch diese Staffel deutlich wird, dann dass das MCU wieder mehr von charakterstarken Figuren braucht, die auch in kleineren Geschichten glänzen können und es nicht immer nur das große Spektakel braucht. Bereits die Spider-Man-Filme oder zuletzt auch Thunderbolts zeigten, dass nicht immer die ganze Welt auf dem Spiel stehen muss, damit Marvel auf der großen Leinwand funktioniert. Zwar hat die Serie hier und da ein paar Schwächen und muss sicherlich mit den weiteren Staffeln – laut Disney jedes Jahr eine neue – noch ihren Platz finden, vor allem mit neuen Charakteren, aber sie bringt auch sichtlich neuen Glanz in ein bereits etabliertes Gerüst rund um Charlie Cox’ Daredevil.
Verfügbar bei: https://www.justwatch.com/de/Serie/Daredevil-Born-Again
